Am 2. Oktober 2023 kam es gegen 9:15 Uhr in einem Gemeindegebiet von Perg (Oberösterreich) zu einem tödlichen Hundebiss.
Die Hundehalterin, eine 37-Jährige aus dem Bezirk Perg, war mit einem Hund auf einem Güterweg unterwegs. Zur selben Zeit joggte eine 60-Jährige aus dem Bezirk Perg auf dem betreffenden Feldweg.
Aus bislang unbekannter Ursache griff der American Staffordshire Terrier „Elmo“ 200 Meter von seinem zu Hause entfernt die vorbeilaufende Joggerin an. Laut ersten Erhebungen versuchte die Hundebesitzerin noch den Hund von der Joggerin wegzureißen, was ihr jedoch nicht gelang. Der Hund befand sich vermutlich in einem Blutrausch und verbiss sich im Gesicht seines Opfers.
Die 60-Jährige erlitt dabei multiple Bissverletzungen. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur mehr den Tod feststellen. Da die verunglückte Frau weder ein Handy noch Dokumente bei sich hatte, konnte die Identität vorerst nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Die Hundebesitzerin erlitt bei dem Versuch ihren Hund wegzureißen selbst Verletzungen unbestimmten Grades und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die zuständige BH Perg sowie der Amtstierarzt wurden darüber informiert und der betreffende Hund wurde über Anordnung der BH Perg in Absprache mit den Amtstierärzten eingeschläfert.
Aufgrund der bisherigen Erhebungen dürfte die Hundehalterin ihren Hund an der Leine geführt haben, der Hund dürfte jedoch keinen Maulkorb getragen haben. Die Ermittlungen dazu laufen noch, da die verletzte Hundehalterin noch nicht befragt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft Linz ordnete die Obduktion der verstorbenen Frau an.
Kampfhunde – Wie aggressiv sind Listenhunde?
Durch den tragischen Vorfall in Oberösterreich kocht die Debatte um stärkere Restriktionen bei sogenannten „Kampfhunden“ aktuell wieder hoch.
Hunderassen wie die Bordeauxdogge, Ridgeback, Tosa Inu und Pit Bull Terrier gehören zu einer Reihe an Hunderassen, die zumindest in einem der Bundesländer Niederösterreich, Vorarlberg oder Wien zu den „Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotential“ gezählt werden. Als Konsequenz müssen Halter:innen sogenannter „Listenhunde“ bundeslandspezifische Auflagen erfüllen. Dazu können strengere Maulkorb- und Leinenvorgaben, eine Bewilligungspflicht in Vorarlberg oder ein eigener Sachkundenachweis in Niederösterreich und Wien gehören. In der Bundeshauptstadt dürfen betreffende Rassen sogar seit 2020 nicht mehr gezüchtet werden. Wissenschaft und NGOs fordern, dass diese Listen abgeschafft und durch effektive Präventionsmaßnahmen ersetzt werden.
In Deutschland wurden in Niedersachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein die Rasselisten wieder gestrichen und Mecklenburg-Vorpommern gab bekannt, ebenfalls eine überarbeitete Hundehalter-Verordnung, ohne Rasseliste, umsetzen zu wollen.
Laut „Tierschutz Austria“ seien Rasselisten weit verbreitet, aber nutzlos. Seit der Einführung der ersten Rasselisten vor teilweise mehreren Jahrzehnten hätte hat sich in der Kognitions- und Verhaltensforschung von Hunden viel getan. Viele Mythen konnten beseitigt werden und neue Erkenntnisse liefern laufend Einblicke, worauf es bei einer harmonischen Mensch-Hund Beziehung ankommt und welche Faktoren Beißvorfälle begünstigen.
Link zum Thema: Aggressionsverhalten – das „Böse“ im Hund? (Planet Hund)
Anlässlich eines tragischen Vorfalls wurde auch die Veterinärmedizinischen Universität Wien 2018 mit einer Übersicht der aktuellen rechtlichen und wissenschaftlichen Situation beauftragt. Das Ergebnis: In Österreich stehen zwischen 8 und 13 Rassen auf der Hundeliste, in Deutschland 3 bis 19. Spitzenreiter ist laut der Studie die Schweiz, wo je nach Kanton 3 bis 31 Rassen als Listenhunde zählen und damit laut Tierschutz Austria „pauschalisiert als bösartig abgestempelt werden“. Doch alle diese Länder hätten gemein, dass sich ihre Prävalenz von Beißvorfällen auch nach dem Inkrafttreten von Listenregelungen nicht von listenfreien Gebieten unterscheidet.
Bei einer der umfangreichsten Studie zu diesem Thema wurden über 13.000 Hunde von 31 Rassen mittels Wesenstests evaluiert. Nicht nur wurden große Unterschiede zwischen Individuen innerhalb einer Rasse gefunden, es konnte auch keine Beziehung zwischen rassetypischem Verhalten und der ursprünglichen Gebrauchsfunktion, also beispielsweise der Bewachung des Hofs oder dem Einsatz bei Hundekämpfen, festgestellt werden. Eine topaktuelle Studie von 2022 fand sogar heraus, das nur 9 % des Verhaltens eines Hundes durch seine Rasse bestimmt wird.
so Tierschutz Austria Sprecher Jonas von Einem.
Für gängige Listenhunde, wie Pitbull und Rottweiler, wurde zudem kein überdurchschnittliches Gewaltpotential ermittelt. Listenhunde sind folglich laut der Tierschutzorganisation per se nicht aggressiver. Sie würden weder in erhöhtem Maße zu Gewalt neigen, noch machen sie ihre ursprünglichen Einsatzgebiete gefährlicher, als andere Vierbeiner.
KFV fordert strenge Kampfhunderegeln in allen Bundesländern nach Wiener Vorbild
Der Fachbereich Freizeitsicherheit im KFV fordert dagegen strenge Kampfhunde-Regeln, wie es sie bereits in Wien oder auch in NÖ und Vorarlberg gibt. In OÖ wurden in diesem Jahr bereits zahlreiche Menschen von Hunden gebissen, darunter auch kleine Kinder. Bei der letzten großen Änderung des Hundehalterechts 2021 hatte sich die Politik in OÖ gegen eine strenge Regelung für Kampfhunde entschieden. Eine fatale Fehleinschätzung, die laut KFV korrigiert werden muss. Auch andere Bundesländer sollten ihre Regelungen überarbeiten.
ÖKV: American Staffordshire Terrier generell familien- und kinderfreundlich
In einer Stellungnahme vom Österreichischen Kynologenverband (ÖKV) betont dieser, dass der American Staffordshire Terrier generell familien- und kinderfreundlich sei bzw. generell als freundlich gegenüber Menschen beschrieben wird. Nichtsdestoweniger sei die Hunderasse gelistet, was für die Hundehalter eine besondere Verantwortung mit sich bringe, um jedes Risiko für Menschen und andere Tiere auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
Ganz generell gibt es bei jedem Hund gewisse Anlagen, die je nach Zucht und Haltung mehr oder weniger zum Vorschein kommen. In Österreich wird laut ÖKV ausschließlich mit Hunden gezüchtet, die gesund, gut sozialisiert und mit entsprechend gutem Sozialverhalten sind. Dazu werden auch regelmäßig Wesenstests durchgeführt. Aufgrund dieser Wesensmerkmale ist der American Staffordshire Terrier generell beliebt.
Warum kommt es zu Beißattacken auf Menschen?
Dass manche Hunde auffällig werden, hängt viel von äußeren Einflussfaktoren ab. Dazu gehören die Aufzuchtbedingungen des Wurfes und die ersten Erfahrungen, die die Tiere beim Züchter gemacht haben. Vor allem aber die Sozialisierung bei den Besitzer:innen und die dort angewandten Trainings- und Beschäftigungsmethoden, sind entscheidend. Aversive Trainingsmethoden, also beispielsweise direkte Konfrontation oder Bestrafung, können Aggressions- und Angststörungen nachweislich steigern.
so von Einem.
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