Start Österreich Koalitionsgespräche gescheitert: Kickl legt Regierungsbildungsauftrag zurück

Koalitionsgespräche gescheitert: Kickl legt Regierungsbildungsauftrag zurück

Herbert Kickl im Parlament

Die Verhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP zur Bildung einer Regierung sind ohne Einigung beendet worden. FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen darüber informiert, dass er den Regierungsbildungsauftrag zurücklegt.

In einem schriftlichen Statement erklärte Kickl, dass die FPÖ mit der ÖVP Gespräche geführt habe, um eine stabile Regierung zu bilden. Während der Verhandlungen sei es gelungen, erste Fortschritte zu erzielen, insbesondere im Bereich der Haushaltskonsolidierung. Die Gespräche seien anschließend in mehreren Untergruppen fortgesetzt worden.

Allerdings traten in zentralen Fragen erhebliche Differenzen auf. Besonders kontrovers wurden folgende Punkte diskutiert:

  • Ressortverteilung: Die ÖVP forderte bestimmte Schlüsselministerien, die auch die FPÖ für sich beanspruchte.
  • Migrationspolitik: Während die FPÖ auf eine Verschärfung der Asyl- und Einwanderungspolitik drängte, zeigte sich die ÖVP zurückhaltender.
  • EU-Politik: Differenzen gab es in der Frage der Zusammenarbeit mit der EU, insbesondere bei Haushaltsvorgaben und Integrationspolitik.

Anfang Februar hätte die ÖVP eine frühzeitige Klärung der Ressortverteilung gefordert. Ein entsprechender Vorschlag der FPÖ vom 4. Februar führte jedoch nicht zu einer Einigung. Trotz weiterer Verhandlungen konnte keine Lösung gefunden werden, weshalb die FPÖ die Gespräche beendet hat.

Eine Regierungsbildung mit der SPÖ hält Kickl nicht für zielführend, da wesentliche inhaltliche Differenzen bestünden und die SPÖ einer Zusammenarbeit ablehnend gegenüberstehe.

Das Protokoll der Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ gibt detaillierte Einblicke in die Dissenspunkte, die letztlich zum Scheitern der Koalitionsgespräche führten. Besonders strittige Themen waren unter anderem:

  1. Wirtschaft & Arbeit:
    • FPÖ wollte eine grundlegende Reform des Kammerwesens, inklusive eines echten „Opting-Out“ aus der Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer. Die ÖVP lehnte dies ab​.
    • Diskussionen zur Gewerbeordnung: Die FPÖ forderte eine Reduktion reglementierter Gewerbe, während die ÖVP für eine Beibehaltung strengerer Qualifikationsnachweise plädierte​.
    • Unterschiedliche Vorstellungen zur Rot-Weiß-Rot-Karte: Die FPÖ wollte eine Reduktion der Kontingente auf den Stand von 2019, während die ÖVP eine weitere Entbürokratisierung zur schnelleren Anwerbung von Fachkräften vorschlug​.
  2. Umwelt- und Klimapolitik:
    • Die FPÖ forderte die Abschaffung des Klimabonus, während die ÖVP lediglich eine Evaluierung und Anpassung an das EU-Emissionshandelssystem (ETS-2) anstrebte​protokoll.
    • Dissens über die Finanzierung internationaler Klimaschutzmaßnahmen: Die ÖVP wollte weiterhin Beiträge leisten, die FPÖ forderte, dass diese nur bei nationaler Wertschöpfung erfolgen​.
  3. EU- und Außenpolitik:
    • Die FPÖ forderte eine striktere Neutralitätspolitik und eine Evaluierung internationaler Verträge, um Souveränitätsbeschränkungen zu vermeiden, während die ÖVP eine aktive Rolle Österreichs in internationalen Organisationen betonte​.
    • Unterschiedliche Positionen zur EU-Integration: Während die FPÖ sich gegen einen weiteren „Zentralismus“ innerhalb der EU stellte, plädierte die ÖVP für ein klares Bekenntnis zu den vier Grundfreiheiten der EU.
  4. Sicherheits- und Verteidigungspolitik:

Heute hat mich Herbert Kickl informiert, dass die FPÖ und die ÖVP sich nicht auf eine Regierung einigen konnten. Und daher hat er heute den Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt. Dass die Verhandlungen gescheitert sind, mag für den einen oder die andere unerfreulich sein, für das Staatsganze ist es kein Grund zur Beunruhigung. Denn wir bewegen uns nach wie vor in den wohlgeordneten Bahnen der österreichischen Bundesverfassung.

Die liberale Demokratie lebt vom Kompromiss – der ist in Verruf geraten. Dabei ist „Kompromiss“ ein anderes Wort für eine gemeinsame Lösung. Und das Erfolgsrezept der 2. Republik sind gemeinsame, gute und tragfähige Lösungen. Es ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben von Politikerinnen und Politikern, diese Lösungen zu finden. Aufeinander zuzugehen. Interessen auszugleichen. Einen vernünftigen Weg zu finden, der in eine konstruktive, fruchtbare Zukunft führt.

Meine Aufgabe ist es darauf zu achten, dass unser Land eine handlungsfähige Regierung bekommt. Ich werde also in den kommenden Tagen Gespräche mit Politikerinnen und Politiker führen, um auszuloten, welche Optionen erfolgreich sein können. Es geht nicht um die Menschen oder die Parteien, die verhandeln. Es geht um das Staatsganze. Es geht darum, gemeinsame Lösungen für unsere Heimat zu finden.

so Bundespräsident Van der Bellen auf Bluesky.

ÖVP über das Scheitern der Regierungsverhandlungen

Die ÖVP macht Herbert Kickl für das Scheitern der Koalitionsgespräche verantwortlich, da er drei zentrale Voraussetzungen nicht erfüllen wollte: ein souveränes Österreich ohne ausländische Einflussnahme, insbesondere aus Russland, sowie einen konsequenten Asylstopp und die Teilnahme an Sky Shield; ein starkes Österreich in der EU als verlässlicher Partner für Wohlstand, Frieden und Sicherheit; und einen wehrhaften Rechtsstaat, der Extremismus in jeder Form bekämpft.

Trotz fünf Wochen konstruktiver Verhandlungen, in denen die ÖVP sogar das Finanzministerium angeboten habe, habe sich Kickl kaum eingebracht und lediglich sieben Stunden am Verhandlungstisch verbracht. Laut der ÖVP war er nicht bereit, Kompromisse einzugehen oder eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen. Stattdessen habe er auf Maximalforderungen bestanden und die Chance auf eine Mitte-Rechts-Regierung vergeben.

ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll fasst zusammen:

Herbert Kickl war nicht bereit, Kompromisse und eine Partnerschaft auf Augenhöhe einzugehen.

Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

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