In der Stadt Graz fehlen ausreichende Maßnahmen gegen den Hauptverursacher der Luftverschmutzung: Den motorisierten Individualverkehr. Das zeigt der heute vorgelegte Bericht des Rechnungshofes „Luftverschmutzung durch Verkehr – ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität“. Geprüft wurde schwerpunktmäßig in der Steiermark und zwar in den Jahren 2014 bis 2019. Die Auswirkungen der Lockdowns konnten in dieser Prüfung nicht berücksichtigt werden.
Nach Ansicht des Rechnungshofes sind weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität erforderlich:
- Öffentliche Verkehrsmittel sollten ausgebaut und der motorisierte Individualverkehr reduziert werden.
- In Betracht zu ziehen sind unter anderem auch permanente Tempolimits – 100 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen und 80 Kilometer pro Stunde auf Bundes- und Landstraßen – in besonders belasteten Regionen der Steiermark.
Seit 2014 verbesserte sich Luftqualität in der Steiermark nicht
Der Straßenverkehr ist ein wesentlicher Verursacher von Luftschadstoffen. Seit 2005 sanken zwar die Stickstoffoxid-Emissionen des LKW-Verkehrs um rund 70 Prozent, jene des PKW-Verkehrs blieben aber unverändert hoch. Allen voran Diesel-PKW stoßen Stickstoffoxide weit über die Grenzwerte aus.
In den vergangenen Jahren verbesserte sich zwar die Feinstaubsituation in Österreich. Jedoch: An vielen Messstellen lag die Belastung nur geringfügig unter dem Grenzwert. In der Steiermark ist seit 2014 keine Verbesserung der Luftgütesituation feststellbar.
- Hohe, über den Grenzwerten liegende Schadstoffkonzentrationen sowohl bei Stickstoffdioxid als auch bei Feinstaub wurden an der Messstelle Graz-Don Bosco registriert.
- Vergleichsmessungen in weiten Bereichen der Stadt wiesen noch höhere Messwerte auf.
Hinzu kommt: Graz ist prozentuell einer der am stärksten wachsenden Ballungsräume in Österreich. Zwischen 2002 und 2015 erhöhte sich die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in Graz um rund 41.300. Auch die Anzahl der Ein- und Auspendelnden steigt kontinuierlich.
In der Steiermark gelten der „Großraum Graz“ und die „Außeralpine Steiermark“ als Sanierungsgebiete für Feinstaub. Für Stickstoffdioxid trifft das ebenfalls auf den „Großraum Graz“ sowie auf die Autobahnabschnitte an der A 2 Süd Autobahn und der A 9 Pyhrn Autobahn zu.
Wirksame Maßnahmen im Großraum Graz nicht realisiert
Das Land Steiermark erstellte das Luftreinhalteprogramm 2014. Jene verkehrsspezifischen Maßnahmen, die die Luftschadstoffe besonders wirksam reduziert hätten, wurden nicht realisiert: Etwa die Fahrbeschränkungen im motorisierten Individualverkehr im Großraum Graz. Vorgeschlagen wurden ein verpflichtender autofreier Tag oder eine City-Maut.
Entsprechend dem Luftreinhalteprogramm 2014 wurden zwar flexible und permanente Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen, allerdings galt das fixe Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde nur auf einem rund vier Kilometer langen Abschnitt der A 2 Süd Autobahn.
Rechnungshof empfiehlt für den Großraum Graz: Motorisierten Individualverkehr einschränken
- Der Rechnungshof empfiehlt dem Land Steiermark sowie dem Verkehrsministerium, die Einführung permanenter Geschwindigkeitsbeschränkungen zu prüfen.
- Im Sinne der Verbesserung der Luftgüte und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung sind die wirksamsten Maßnahmen zu ergreifen.
- Besonders Fahrbeschränkungen im motorisierten Individualverkehr im Großraum Graz sollten erneut geprüft werden.
- Die Einschränkungen würden zudem die CO₂ –Emissionen reduzieren und einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.
Der Rechnungshof verweist auch auf die Sustainable Development Goals (SDGs), in denen das Thema Luftverschmutzung mehrfach angesprochen wird. Österreich hat sich verpflichtet, diese bis 2030 umzusetzen. Der Rechnungshof kooperiert mit den Vereinten Nationen und überprüft die nationale Umsetzung der SDGs.
Zudem soll der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes forciert werden, um Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs auszugleichen. Gemäß Luftreinhalteprogramm 2014 sollten Straßenbahnverbindungen in Graz umfangreich ausgebaut werden. Von 2014 bis 2018 wurde jedoch nur ein geringer Teil umgesetzt.
Vertragsverletzungsverfahren
Der Rechnungshof weist außerdem kritisch darauf hin, dass die lang andauernden Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid gemäß Luftqualitätsrichtlinie zu Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich führten. Im Zusammenhang mit zu hohen Stickstoffdioxid-Werten läuft nach wie vor ein Verfahren. Im Falle einer Verurteilung kann dies zu hohen finanziellen Belastungen der betroffenen Gebietskörperschaften führen.
Reaktionen in der Grazer Politik
Grazer Grüne:
„Vernichtender Bundesrechnungshofbericht zu Luftqualität im Großraum Graz. Der S-Bahn Ring in Verbindung mit der Errichtung der neuen Straßenbahnlinien muss in die Umsetzung, es ist der beste Plan für Graz.“
Grazer KPÖ:
Dass es zur Verbesserung der Luftqualität im Verkehr weiterer Anstrengungen bedarf, sei klar und werde durch den aktuellen Rechnungshofbericht unterstrichen. Als Akutmaßnahme wurde von KPÖ-Stadträtin Elke Kahr vorgeschlagen, bei besonderen Belastungslagen autofreie Tage einzuführen – was allerdings bisher mehrheitlich von Stadt- und Landespolitik abgelehnt wurde:
Seitdem ich im Verkehrsressort bin, bemühe ich mich um den Ausbau des Umweltverbundes, sprich von ÖV, Rad- und Fußverkehr. Da ist uns schon einiges an Verbesserungen gelungen. Nun steht mit den Plänen, mit einer neuen Qualität für die S-Bahn die Pendlerproblematik in den Griff zu bekommen, der nächste Schritt an.
Tatsache sei, dass die Mobilitätsdaten der GrazerInnen einen Trend zu weniger Auto zeigen, der in die Stadt einströmende Verkehr sowie ein Mehr an Lieferverkehr diesem Trend aber entgegenwirken. Die Entwicklung in Graz sei vor dem Hintergrund des starken Zuzugs und einer expansiven Stadtentwicklung zu sehen. Dazu gehöre neben dem Bauboom im Wohnbau auch kontraproduktive Entwicklungen in der Gewerbeansiedlung wie etwa das geplante Amazon-Verteilzentrum Graz-Liebenau in einem Luftsanierungsgebiet.
Grazer FPÖ:
Für den Grazer Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio hingegen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nachvollziehbar:
Die offensichtlich politisch motivierte Stellungnahme des Bundesrechnungshofes, gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten, ist eine Unverschämtheit! Wir sprechen uns klar gegen diese Restriktionspolitik aus und werden derartige Vorstöße nicht mittragen. In der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik mit politisch motivierten Stellungnahmen den Wirtschaftsstandort Graz zu schädigen, ist vollkommen inakzeptabel.
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