In Graz Puntigam haben Menschen „die Nase voll“. Die Ursache für den intensiven Geruch, der sich besonders im Sommer durch den ganzen Stadtteil zieht, findet sich in einer Gärtnerei, in der seit zwei Jahren auf mehr als 12 Hektar Hanf angepflanzt wird. Wieso lässt die Behörde so eine Geruchsbelästigung zu, fragen sich die Anrainerinnen und Anrainer erbost und haben sich an Volksanwalt Werner Amon gewandt. Zu sehen in der „Bürgeranwalt“ über Geruchsbelästigung durch Hanfplantage am 7. Dezember in ORF 2.
Die Hintergründe
Vor fast genau einem Jahr veröffentlichten wir den Artikel Graz: City of Hanf – Die Schattenseite. Darin beschrieben wir die Situation geplagter Anrainer seit Frühling 2018 und dass eine Petition Ende 2018 mit Unterschriftenliste an die Grazer Stadträte und natürlich Bürgermeister Nagl über dem Puntigamer Bezirksrat übergeben wurde. Wir berichteten auch darüber, dass Hanfbauer Herneth Änderungen machten wollte.
Aber Hoffnungen der Bürger auf Besserung, zerplatzten im Frühling 2019: Denn dieses Jahr bereitete sich der Gestank über ein noch größeres Gebiet aus! Am Ende meinte sogar der Liebenauer Bezirksvorsteher Christian Kvas in einem Kleine Zeitung Bericht, dass 25.000 Einwohner im Grazer Süden davon betroffen sind.
Andreas Falk in der Sendung Bürgeranwalt: Die Nutzung wurde massiv verändert (…) eine rücksichtslose Gewinnmaximierung auf Kosten anderer. Im Kindergarten fragen Pädagoginnen nach, ob man darüber reden will, ob man Probleme hat, wegen dem Duft … Peter Resetarits ergänzt hier „Joint rauchen zu Hause“ ein.
Otmar Podlipnig in der Sendung Bürgeranwalt: Mich hat der Gestank im Juni so überraschend erreicht, dass ich am ersten Tag die Landeswarnzentrale angerufen habe ob irgendwo ein Unfall oder irgendwas passiert sei. Am selben Vormittag wurde ich vom Amt für Luftreinheit angerufen – mir wurde aber keine konkrete Auskunft gegeben sondern es wurde immer nur andeutungsweise auf die Firma Herneth hingewiesen.
Auch in Judendorf wissen geplagte Anrainer mittlerweile ein Lied davon zu singen: Dort wird (mit Beteiligung von Herneth) nun Hanf angebaut. Im Gegensatz zur riesigen Hanf-Glashaus-Anlage in Graz aber (noch) als Freifläche. Laut einem Kleine Zeitung Artikel planen die Betreiber in Judendorf einen Umstieg auf Glashäuser / Folientunnel – und was den dortigen Anrainern dann „blüht“, sehen wir an der Situation in Graz.
Was ist 2019 im Hanfjahr 2 in Graz passiert?
Vor allem eine „sind nicht zuständig“ Politik der Grazer Behörden. Es gibt bis jetzt auf die anfangs erwähnte Petition, keine Stellungnahme von Bürgermeister Nagl oder von einem Grazer Stadtrat. Einzig der Puntigamer Bezirksrat steht in Kontakt mit den Bürgern, sieht sich gegenüber der Stadt aber nur als „Bittsteller“ und berichtet über den Geruch bis zum Zentralfriedhof(!).
Möglicherweise Weder- noch Kompetenz für irgendwen
fasste Peter Resetarits die Lage mit den Grazer Behörden zusammen.
- In der Kleinen Zeitung schreibt Robert Preis am 26. Oktober über „Herber Hanfgeruch breitet sich in Judendorf aus“ (Plus Artikel): Besonders „lustig“ erscheint hier die Aussage von Christian Rossmann, Betreiber der dortigen Hanfplantage: „Man wird es niemals allen recht machen. Selbst dann nicht, wenn wir Lavendel anbauen“. Im Gegensatz! Da würden sich die Grazer Anrainer über provenzalisches Flair freuen. Immerhin ist die Provence für ihre berühmten Lavendelfelder weltbekannt. Und die Stadt Graz könnte sich gleich „Hauptstadt vom steirischen Lavendel“ nennen.
- Ein paar Tage später folgt dort der Artikel „Anrainern in Puntigam stinkt der Hanfgeruch“ (Plus Artikel). Interessant ist, was dadurch passiert:
- Die Bezirksvorsteher Helmuth Scheuch (Puntigam) und Christian Kvas (Liebenau) reagieren auf diesen zweiten Kleine Zeitung Artikel: Christian Kvas „Wir riechen den Hanf auch bei uns. So einen Betrieb kann man doch nicht mitten im Ballungsraum eröffnen“ und weist auf 25.000 betroffene Menschen im Grazer Süden hin. Für Helmuth Scheuch ist das Argument der Landwirtschaftskammer lächerlich, dass eigentlich nur zugezogene Nachbarn der Firma das Problem sein würden.
- Der Bürgeranwalt mit Peter Resetarits plant eine Sendung über das Thema im ORF.
Hanf-Geruch in Graz: Der Volksanwalt schaltet sich ein
Nach einer Beschwerde über untätige Behörden schaltet sich der Volksanwalt ein und behandelte das Thema im Rahmen der Sendung Bürgeranwalt am 7.12.2019 im ORF2. Wir waren bei der Aufzeichnung der Sendung mit Peter Resetarits und dem Volksanwalt Werner Amon in Wien dabei. Die Sendung ist 7 Tage auch online in der ORF TVTHEK zu sehen.
Die Volksanwaltschaft besteht aus drei Mitgliedern, die für sechs Jahre vom Nationalrat gewählt werden und einmal wiedergewählt werden können. Diese arbeiten kollegial zusammen und sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig. Sie können nicht abgewählt, abberufen oder ihres Amtes enthoben werden. Die Volksanwälte werden vom Bundespräsidenten angelobt. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft müssen zum Nationalrat wählbar sein und über Kenntnisse der Organisation und Funktionsweise der Verwaltung verfügen. Da die Volksanwaltschaft auch die Einhaltung von Menschenrechten kontrolliert, müssen die Mitglieder auch auf diesem Gebiet über Kenntnisse verfügen. (Quelle)
Obwohl Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio als Vertreter der Behörde und in seiner Eigenschaft als Oberster der Bau- und Anlagenbehörde zur Teilnahme bei der Sendung gebeten worden war, zog der Bürgermeister-Stellvertreter es vor sich nicht der Diskussion zu stellen. Stattdessen schickte die Leitung der Bau- und Anlagenbehörde dem Bürgeranwalt-Team ein Schreiben über die eigene Nicht-Zuständigkeit und weiters:
Stellungnahme der Bau- und Anlagenbehörde zur Anfrage der Volksanwaltschaft für die Sendung Bürgeranwalt
Der Anbau und Verkauf von Nutz- und Zierpflanzen, wozu Hanf als eine der am längsten kultivierten Pflanzen zu zählen ist, sind nach § 2 Abs 1 Z 1 GewO 1994 zur Gänze vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen.
Die Hanfama Vertriebs GmbH ist Mitglied der Landwirtschaftskammer Steiermark. Diese Mitgliedschaft sowie mehrere Erhebungen vor Ort sind Indizien dafür, dass die Hanfpflanzen im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft erzeugt werden.
Das in der Stadt Graz zuständige Referat für gewerbliche Betriebsanlagen sieht keinen Anknüpfungspunkt der Gewerbeordnung gegeben, welcher ein Einschreiten ermöglichen würde und verweist in diesem Zusammenhang auf die Zivilgerichte (§ 364 Abs 2 ABGB).
Als Teil eines modernen Stadtmanagements ist die Bau- und Anlagenbehörde jedoch sehr bemüht, an der Bearbeitung von Bürgerbeschwerden mitzuhelfen und hat im gegenständlichen Fall, aufgrund des Vorwurfes der Gesundheitsgefährdung, folgende Schritte gesetzt:
Es wurde sowohl die rechtliche Lage wiederholt geprüft, als auch mehrere Erhebungen vor Ort veranlasst und eine amtsärztliche Stellungnahme vom Gesundheitsamt der Stadt Graz bezüglich einer Gesundheitsgefährdung eingeholt. Aus dieser Stellungnahme geht hervor, dass bei legal gezüchteten Hanfpflanzen der THC Gehalt unter 0,3% beträgt und in dieser Konzentration keine Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachbarn zu erwarten sind.
Die als störend wahrgenommenen Geruchsstoffe gehen laut Amtsarzt auch nicht vom THC, sondern von anderen Inhaltsstoffen (u.a. Terpenen) aus.
Bei Betriebskontrollen durch das Umweltamt der Stadt Graz konnten am Standort keine Missstände festgestellt werden. Bei einer weiteren Kontrolle im Oktober 2019 durch das Land Steiermark konnte auch keine Übertretung des Steiermärkischen Pflanzenschutzmittelgesetztes festgestellt werden.
Da aufgrund der vorliegenden Erhebungsergebnisse keine Gesundheitsgefährdung zu befürchten sowie keine Behördenzuständigkeit gegeben ist, werden auch keine weiteren Maßnahmen eingeleitet. Wie bereits erwähnt, steht den Betroffenen die Beschreitung des Zivilrechtsweges offen.
Wie sieht Volksanwalt Werner Amon die Versäumnisse der Behörden in Graz?
In Sendung stellt Werner Amon fest, dass einerseits die Volksanwaltschaft die Meinung des Magistrats Graz nicht teilt und anderseits die Stellungnahme der Behörde nicht ausreichend ist:
Die Belästigung ist durch den Geruch gegeben, ganz offensichtlich, und die Behörde kann sich da nicht abputzen und sagen, wir sind nicht zuständig. (…)
Fest steht, dass für die Anrainer eine unglaubliche Belästigung hier ensteht in einem unglaublichen Ausmaß. Man darf nicht vergessen, dass hier auf mehr als 12ha angebaut wird. Die Belästigung ist hier offensichtlich. (…)
Wenn man diese Dimensionen ansieht, dann sieht man, dass das nicht ein kleiner Anbau ist, sondern eine ordentliche Fläche, die zu dieser Belästigung führt.
Da der Gartenbau nicht der Gewerbeordnung unterliegt (§ 2 Abs. 3 Z 1), sondern der Landwirtschaft zuzurechnen ist, sind Bauten wie Gewächshäuser, Lüftungsanlagen etc. nach dem Stmk Baugesetz zu beurteilen.
Gemäß § 95 Abs. 1 Stmk Baugesetz sind landwirtschaftliche Betriebsanlagen so zu planen und auszuführen, dass das Leben oder die Gesundheit der Nachbarinnen/Nachbarn nicht gefährdet wird (Z 1), und Nachbarinnen/Nachbarn durch Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung, Gestank oder Lästlinge nicht unzumutbar oder das ortsübliche Ausmaß übersteigend belästigt werden (Z 2). Ob Belästigungen der Nachbarn zumutbar sind, ist gemäß § 95 Abs. 3 leg. cit. danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen auswirken.
Werden diese Interessen durch eine aufrechte baubehördliche Bewilligung im Rahmen der Landwirtschaft nicht mehr ausreichend geschützt, hat die Behörde – insbesondere auf Antrag eines Nachbarn – nach § 29 Abs. 6 Stmk Baugesetz in begründeten Fällen andere oder zusätzliche Auflagen nach dem Stand der Technik vorzuschreiben. Die Verfahrenskosten hat die Gemeinde zu tragen.
Das Schlusswort von Anrainer Andreas Falk in der Sendung Bürgeranwalt:
Es sollte eine Gleichberechtigung geben, dass nicht ein einzelner Gewinn-maximierender Betrieb über das Interesse von 25.000 anderen Leuten gestellt wird.
Hinweis in eigener Sache: Wir von der Inside Graz Redaktion sind als Anrainer auch von dem Hanf-Gestank betroffen.
Hanf – Geruchsbelästigung: ist studiere Rechtswissenschaften in Graz und beschäftige mich mit der Thematik der Rechtslage über den Anbau und den Verkauf von Hanf, CBD – Produkten.
Sehr verwunderlich, dass der ORF hier eine große Thematik sehen will. Dass Gewächse beim Anbau Gerüche verbreiten dürfte auch dem Parteifunk bekannt sein. Dass es immer wieder Mitmenschen gibt und gab, denen man nichts recht machen kann, ebenso. Ein Gartenbau-Betrieb hat das natürlich das Recht Hanf anzubauen, solange der THC – Gehalt unter 0,3 % liegt. Im gegenständlichen Fall baut der Gärtner völlig rechtmäßig Hanf an. Eine inakzeptable Geruchsbelästigung liegt nicht vor. Vielleicht sollten bestimmte Mitmenschen hier aber auch berücksichtigen, dass der Gartenbaubetrieb Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe stellen könnte, wenn Behörden sich hier auf Verhinderungs-Spielchen einlassen würden, was ich mir bei der gegenwärtigen Rechtslage absolut nicht vorstellen kann. Nach meiner eingehenden Prüfung der Rechtslage bin ich überzeugt, dass hier völlig zu Recht Hanf angebaut wird und eine übermäßige Geruchsbelästigung nicht vorliegt. Wäre ich Rechtsanwalt und mit der Sache betraut, würde ich dem Gartenbaubetrieb raten, sofern notwendig, gegen die „Verhinderer“ mit Unterlassungsklagen (Streitwert 1000.000.- € ) und Schadenersatzforderungen in der Höhe des entstandenen Schadens, vorzugehen. Vielleicht sollte das Verhinderern zu denken geben. Verhinderungsspielchen können sehr teuer zu stehen kommen.