Wer das Stadtleben liebt und trotzdem nicht auf einen Garten verzichten möchte, hat viele Möglichkeiten: „Urban Gardening“ boomt nach wie vor und das Internet ist voll von Beispielen und Anleitungen, wie man sich auf begrenztem Platz wie am Balkon sein eigenes Fleckchen Grün schaffen oder in einem Gemeinschaftsgarten mitwirken kann.
Wir Permakultur-Interessierte gehen ein Stück weiter und überlegen, wie wir nach dem Vorbild der Natur ein kleines, möglichst dauerhaft funktionierendes System schaffen können, das sich im Idealfall mit wenig Aufwand selbst erhalten kann und nicht nur schön, sondern auch nützlich ist. Und zwar nicht nur für uns Menschen. Dabei lassen sich Zusammenhänge lernen, Tiere beobachten, herrlich entspannen und natürlich – wer dies möchte – reichlich Lebensmittel ernten!
Inhalt
Bei Permakulturgärten liegt der Wert im Nutzen
Permakulturgärten erscheinen für schnurgerade Rasen und Thujen-gewöhnte Augen oft erst ziemlich wild, oft chaotisch oder sogar ungepflegt. Sie offenbaren erst nach näherem Hinschauen ihre Ordnung und Funktion. Bei Permakultur liegt der Wert nicht in der ordentlichen „Schönheit“, sondern in ihrem Nutzen und im Zusammenspiel der verschiedenen Elemente zu einem funktionierenden System. Wer nicht gleich beim Urban Gardening sich oder seine Nachbarn mit einem vermeintlichen Wildnisgarten am Balkon „erfreuen“ möchte, kann dennoch zumindest einzelne Elemente einsetzen!
Heimische Wildblumen am Balkon statt Petunien & Geranien
Wie wäre es zum Beispiel, heimische Wildblumen im Balkonkisterl zu ziehen statt Petunien und Geranien? Typische Balkonblumen-Hybriden sind zwar hübsch, aber pflegeaufwändig und haben außer Schönheit ökologisch leider nichts zu bieten. Sie locken durch Ihren Duft Insekten an, die dann aber leer ausgehen.
Heimische Wildblumen dagegen sind anspruchslos. In der Regel winterhart, sie lassen sich leicht vermehren (und mit Nachbarn tauschen!) und verzeihen auch mal Durstzeiten. Dazu bieten sie verschiedenen heimischen Insekten Nahrung und Unterschlupf. Stellt man die Pflanzen entsprechend zusammen, hat man vom Frühjahr bis Spätherbst eine bunte Blumenpracht und kann dazu noch das entspannte Summen und Flattern dankbarer Insekten genießen!
Wissen sollte man: Wildblumen sind meist Stauden, die erst im zweiten Jahr blühen. Sät man also im Frühjahr oder Herbst selbst aus, braucht man Geduld. Spezialisierte Gärtnereien bieten vorgezogene Pflanzen im Topf an, damit ist man auf der sicheren Seite. Mit einjährigen Sommerblühern, wie sie sich in günstigen Blumenmischungen mit oft zweifelhafter Herkunft finden, kann man ergänzen und jedes Jahr Abwechslung in den (eigenen) Blumentopf bringen. Typische Beispiele für Wildblumen sind:
- Klatschmohn
- Ringelblumen
- Kornrade oder
- Acker-Rittersporn.
Diese Arten haben aber höhere Ansprüche an den Boden und an die Wasserversorgung!
Was Wildblumen brauchen
Sonnenhungrige Wildpflanzen brauchen nährstoffarmes, durchlässiges Substrat (gegebenenfalls Erde mit Sand mischen) und relativ wenig Wasser. Außer in extrem trockenen Sommern genügt sogar häufig der Regen. Abflusslöcher im Topf sind bei allen Pflanzen am Balkon ohne Überdachung Pflicht.
Generell gilt: je mehr Erde, desto besseres Wachstum und desto seltener gießen!
Für Wildstauden, die den Winter über im Freien bleiben, eignen sich winterfeste Tongefäße gut. Eine Drainage mit Schotter oder Blähton ist sinnvoll. Für noch extremere Standorte wie flache Gefäße, Schotter und wenig Wasser in voller Sonne sind verschiedene Fetthennen (lat. Sedum) interessante Spezialisten.
Ähnliche Ansprüche wie unsere Wildstauden haben viele typische mediterrane Kräuter wie Salbei, Thymian, Lavendel oder Rosmarin. Letzterer ist dabei aber nur bedingt winterfest. Damit haben wir also schon duftende Kräuter und die eigene Blumenwiese auf unserem Balkon!
Hier gibt es eine praktische Broschüre mit Pflanzenlisten für den Einsatz am Balkon in verschiedene Sonnenlagen.
Jetzt noch klassische Küchenkräuter und Pflücksalate in die Nähe des Küchenfensters stellen, ein paar Tomatenstauden in humusreiche Erde pflanzen und gleich mit einer Untersaat aus Basilikum oder zum Beispiel Rauke versehen.
Worauf es bei der Erde für die Pflanzen ankommt
Bei der Erde empfiehlt es sich übrigens, genauer hinzuschauen. Übliche, vor allem sehr preisgünstige Erden aus dem Baumarkt sind leider oft nur künstlich aufgedüngte Substrate, die meist nach einer Saison ausgetauscht werden müssen. Das ist schade, denn lebendige Erde mit wertvollem Humus ist langlebig, speichert Wasser und Nährstoffe und ist selbst am Balkon dauerhaft verwendbar. Als verantwortungsvoll gärtnernde Menschen achten wir auf torffreie Erde und Jungpflanzen in Bioqualität. Vielleicht haben wir sogar Zugang zu einem Garten, der uns etwas Erde spendet!
Wasserspeicher für Pflanzkübel selber machen
Tipp für durstige Pflanzen: ein eingebauter Wasserspeicher im Pflanzkübel. Dieser muss nicht teuer gekauft werden. Man benötigt lediglich:
- Pflanzbehälter: Je größer und vor allem tiefer, desto besser. Für Pflanzen wie Paradeiser sollte das Volumen pro Pflanze mindestens (!) 10 Liter betragen und die Höhe etwa 30 cm betragen.
- Drain-Material: Grober Schotter (schwer!) oder Blähton, es darf auch der ungewaschene aus der Baustoff-Abteilung sein.
- Wasserdurchlässiges Gartenvlies
- Ein Stück Kunststoffrohr: Etwas länger als das Pflanzgefäß hoch ist
- Zwei bis drei kleine Blumentöpfe als Docht: etwas höher als Drain-Material eingefüllt wird
- Bohrmaschine
- Erde
Schritt für Schritt Anleitung zum Selbstversorungs-Naturbalkon
- Im unteren Viertel oder Fünftel – je nach Gefäßhöhe – an einer schmalen Seite einige Abflusslöcher nebeneinander bohren (etwas kleiner als die Körnung des Drain-Materials, damit nichts herausfällt).
- Die Blumentöpfe rundherum mit einem Nagel mit kleinen Löchern versehen und mit Erde füllen.
- In den Behälter stellen.
- Das Rohr an einem Ende rundherum mit Löchern versehen und auf der den Abflusslöchern gegenüberliegenden Seite in eine Ecke stellen.
- Behälter bis genau über die Abflusslöcher mit Drain-Material befüllen.
- Vlies auflegen und bis zum oberen Rand des Behälters einpassen. Dabei die Blumentöpfe, die als „Docht“ fungieren, vorsichtig freischneiden.
- Behälter mit Erde befüllen, fertig!
Die ersten ein bis zwei Wochen die Pflanzen am besten von oben gießen, danach genügt ein Auffüllen über das Gießrohr, bis das Wasser über die Abflusslöcher wieder herausfließt. Der Wasserspeicher ist dann gefüllt und die Erde in den kleinen Töpfen zieht das Wasser bei Bedarf nach oben. Damit kommen auch Tomaten gut ein paar Tage aus.
Los geht’s mit dem ersten Schritt zum Selbstversorgungs-Naturbalkon!
Buchempfehlung mit vielen Beispielen: Handbuch Bio-Balkongarten von Andrea Heistinger
Weiterführende Informationen:
Permakultur-Akademie im Alpenraum
Pflanzen und Saatgut:
Garten der Vielfalt, Stainz
Liste Pflanzen-Lieferanten der Umweltberatung
Autorin: Alex Scheucher