Das tatsächliche Gefahrenpotential bei einem Unfall mit E-Autos ist noch relativ unbekannt. Verunsichernde Bilder von brennenden E-Fahrzeugen hingegen aber bereits weit verbreitet. Bekannt ist: Die auf Lithium-Ionen-Technologie basierenden Energiespeicher von E-Fahrzeugen verhalten sich im Brandfall anders als herkömmliche Automotoren.
Auswirkungen von Bränden von batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen in Straßentunneln
Im FFG-geförderten Projekt „BRAFA – Brandauswirkungen von Fahrzeugen mit alternativen Antriebssystemen“ haben die TU Graz, die Montanuniversität Leoben, der Bundesfeuerwehrverband und das Beratungsunternehmen ILF Consulting Engineers Austria, unterstützt von der ASFINAG und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, die sicherheitsrelevanten Auswirkungen von Bränden von batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen (BEV) in Straßentunneln untersucht und Methoden zur Brandbekämpfung bewertet.
Die Ergebnisse der umfassenden experimentellen und numerischen Untersuchungen liefern neben wertvollen Erkenntnissen zunächst vor allem eines: Beruhigung. Das Gefahrenpotential ist auf Basis dieser Untersuchungen nicht wesentlich kritischer zu bewerten als bei Bränden von Pkw mit herkömmlichen Verbrennungskraftmotoren.
Österreichische Tunnelanlagen sind fit genug für die Herausforderungen, die mit brennenden E-Fahrzeugen einhergehen. Unsere Ergebnisse deuten aber auf ein deutlich erhöhtes Gefahrenpotential von E-Fahrzeugbränden in Parkgaragen hin. Und auch bei Tunnelbränden mit batterieelektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen, also mit E-Bussen und E-Lkws, braucht es dringend mehr Mittel für weiterführende Untersuchungen.
so Peter Sturm, Professor am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz.
Brennende Neuwagen im Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ der Montanuniversität Leoben
Während der bisherige Wissensstand auf Tunnel-Brandversuchen mit einzelnen Batteriezellen und kleinen Akkupacks beruhte und das Gefahrenpotenzial ganzer brennender Pkws daraus abgeleitet wurde, gewann das Projektteam erstmals neue Erkenntnisse aus groß angelegten Realbrandversuchen.
Im neuen Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ der Montanuniversität Leoben wurden Batteriemodule sowie drei elektrisch betriebene und zwei dieselbetriebene Fahrzeuge gezielt in Brand gesetzt. Die Fahrzeuge – Kompaktwagen, SUV und Kleintransporter – waren teilweise Neuwagen mit Baujahr 2020 und mit der neuesten am Markt vorhandenen Lithium-Ionen Batterietechnologie ausgestattet.
Wärmefreisetzung und Brandgasemissionen eines Autos
Mit über 30 Temperatursensoren wurde die Wärmefreisetzungsrate gemessen, also die Brandlast eines Fahrzeugs.
- Die Brandlast eines herkömmlichen Pkw liegt bei etwa 5 Megawatt (MW) oder grob umgerechnet einem brennenden Stapel mit 25 Holzpaletten.
- Die Wärmefreisetzungsrate der brennenden E-Fahrzeuge im Tunnel war mit 6 bis 7 MW zwar etwas höher als jene der dieselbetriebenen Vergleichsfahrzeuge, das bringt aber keine neuen Risiken oder Gefahren mit sich.
Zum Vergleich: Die Brandlast eines konventionellen LKW liegt bei etwa 30 MW – und auch dafür sind Tunnelanlagen ausgerichtet.
Es wird beim Brand der E-Fahrzeuge zwar etwas wärmer, aber dadurch nicht grundlegend gefährlicher im Tunnel. Die gemessenen Temperaturen im Fluchtbereich liegen für alle Brandversuche unterhalb der 60 Grad Celsius Grenze. Das ist zwar keine angenehme Temperatur, aber Flucht und Brandbekämpfung sind noch möglich.
fasst Peter Sturm zusammen.
Auch emittierte Gase und Schwermetalle standen im Fokus des Projekts und wurden mittels gezielter Luftabsaugung und aufgehängten Vliesdecken gesammelt und gemessen. Dabei wurden bei den Bränden der E-Fahrzeuge höhere Mengen an Fluorwasserstoff und Kohlenmonoxid nachgewiesen.
Allerdings führt die thermisch bedingte Rauchgasschichtung im Tunnel dazu, dass sich diese hoch konzentrierten Brandgase überwiegend in oberen Bereichen des Tunnels sammeln und damit außerhalb des für Menschen relevanten Bereichs. Das heißt, die Fluchtwege sind nicht davon betroffen.
erklärt Peter Sturm. Einen großen Anteil am vergleichsweisen geringen Risiko in Straßentunnelanlagen haben die Belüftungssysteme. Die gibt es zum Beispiel in Parkgaragen nicht oder zumindest nicht im vergleichbaren Ausmaß. Das bedeutet, Brände von E-Fahrzeugen in Garagen stehen gefahrentechnisch auf einem anderen Blatt Papier und müssten dringend genauer untersucht werden. Die Messergebnisse deuten jedenfalls auf ein ernstzunehmendes Gefahrenpotential hin.
Sicherheitsrisiko für Personen im Tunnel berechnet
Da das derzeit in Österreich verwendete Risikomodell „Turismo“ ebenso wie Modelle anderer Länder den Brand batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge komplett außen vorlässt, wurde im Rahmen des Projekts auch das Sicherheitsrisiko für Personen im Tunnel berechnet. Im Extremfall – das heißt, wenn sich ausschließlich E-Fahrzeuge im Tunnel befinden – steigen das Gesamtrisiko um ca. 4 Prozent, das Brandrisiko im Vergleich zu 100 Prozent Verbrennungsmotoren um ca. 12 Prozent, führt Bernhard Kohl vom für Risikoanalysen zuständigen Projektpartner aus. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass eine Ableitung allgemeiner Schlussfolgerungen auf Basis dieser wenigen Brandversuche schwierig ist. Für Struktur und Materialien des Tunnelbauwerks macht die Antriebsart des brennenden Fahrzeugs keinen relevanten Unterschied: Betonschäden durch Abplatzungen sind bei Bränden von Nutzfahrzeugen bei beiden Fahrzeugkategorien zu erwarten, das Schadensbild fällt in etwa gleich aus.
E-Autos: Brandbekämpfung und kontaminiertes Löschwasser
Im Rahmen der Brandexperimente testete der Österreichische Bundesfeuerwehrverband verschiedene Löschmethoden. Am besten funktionierte die konventionelle Brandbekämpfung mit Wasser.
Wasser ist aufgrund der sehr guten Kühlwirkung das Löschmittel der Wahl. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass sich bei Lithium-Ionen-Akkus ein Löscherfolg erst dann einsetzt, wenn das Wasser das Innere der Batterie erreichen kann. Eine externe Kühlung einer nur unwesentlich beschädigten Batterie ist kaum wirksam. Bisherige Einsätze haben gezeigt, dass sich die Löschdauer und der Löschmittelbedarf erhöhen und mehrere 1000 Liter Löschwasser erforderlich sein können. Da müssen die Einsatzkräfte gegebenenfalls auf das in den Tunnelanlagen vorhandene Löschwasser zurückgreifen.
so Stefan Krausbar vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband.
Flammenerstickende Löschdecken bringen ab dem Zeitpunkt, an dem der Brand auf die Batterie übergreift, keinen Mehrwert mit sich. Grund sind die starken Flammen in Bodennähe, die ein enges Überziehen der Löschdecke über das gesamte Fahrzeug massiv erschweren, und die Sauerstoffselbstversorgung der Batterie. Der Einsatz von Löschlanzen, die Wasser direkt in das Batteriegehäuse einspritzen, hat sich hingegen als sehr effektiv erwiesen. Die Handhabung der Löschlanzen ist allerdings kompliziert und nicht ungefährlich, sodass diese Methode eine spezielle Schulung der Einsatzkräfte erfordert. Das zur Brandbekämpfung verwendete Löschwasser zeigte eine erhöhte Schwermetallbelastung, insbesondere mit Nickel. Laut Günter Rattei von der ASFINAG sei es daher naheliegend, dass das im Rückhaltebecken gesammelte kontaminierte Löschwasser teurer in der Entsorgung ist.
Experten: Weitere Brandversuche mit Nutzfahrzeugen notwendig
Trotz der vielen gewonnen Erkenntnisse betont Projektleiter Peter Sturm, dass weiterführende Untersuchungen mehr als wünschenswert sind. „Das Projektbudget von 250.000 Euro ließ uns recht wenig Spielraum.“ Die Brandauswirkungen von batterieelektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen – Busse und Lkws – konnten dadurch nur mittels numerischer Simulation basierend auf Annahmen zur Brandentwicklung, Branddauer und Schadstofffreisetzung hochskaliert werden. Für diese Annahmen gibt es derzeit keine belastbaren messtechnischen Verifikationen. Umfassende Brandexperimente im Großversuch würden die Aussagegüte daher deutlich verbessern. Selbiges gilt für die konkrete Gefahrenlage bei E-Fahrzeugbränden in Parkgaragen. „Bei aller Freude über den Vormarsch alternativer Antriebssysteme dürfen solche sicherheitsrelevanten ‚Hausaufgaben‘ nicht vernachlässigt werden“, appelliert Peter Sturm an Gesetzgebung und Forschungsförderung.
Foto © Lunghammer – TU Graz